13.05.16

„Und die Welt steht still“

„Und die Welt steht still - Letzte Lieder und Geschichten von Menschen im Hospiz“: Dies ist der Titel eines bundesweiten Kunstprojektes, an dem sich auch Menschen, die im Hospiz Esslingen verstorben sind, beteiligt haben. Diese musikalischen Vermächtnisse und Geschichten werden am 3. Juni 2016 um 19.30 Uhr in der Stadtkirche St. Dionys in Esslingen aufgeführt.

Weiller, Kränzle, Weißenborn - F: URH

„Die Esslinger sind Rocker“, stellt Projektinitiator Stefan Weiller fest. Mit fünf Menschen im Hospiz Esslingen hat der Sozialpädagoge und Journalist Interviews geführt, ihre Lebenslieder erfragt und viele Geschichten gehört, die Menschen am Ende ihres Lebens beschäftigen. Die musikalische Bandbreite ist enorm und reicht von Alice Cooper „School’s Out“, Whitney Houston und die Dire Straits über die „Christel von der Post“ bis hin zu Händels „Messias“ und anderen geistlichen Liedern. Die Esslinger Beiträge kombiniert Weiller mit Elementen aus anderen Hospizen, so dass das Projekt sich ständig verändert. Dabei bleiben die Befragten stets anonym. In der Stadtkirche wird eine Collage aus Musik, Texten und Videoinstallationen präsentiert. Umgesetzt wird das Ganze vom Ensemble Capella Vocale an St. Dionys, der Kilian-Haiber-Band und vielen anderen haupt- und ehrenamtlichen Musikerinnen und Musikern. Die musikalische Leitung hat der Kirchheimer Bezirkskantor Ralf Sach. Als Sprecherinnen sind Irina von Bentheim, die deutsche Stimme von Sarah Jessica Parker, und Birgitta Assheuer zu hören. Schirmherrin ist Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin.

Für Dekan Bernd Weißenborn ist „Letzte Lieder“ viel mehr als ein künstlerisches Projekt: „Es hilft, Berührungsängste gegenüber Sterben, Tod und Leiden abzubauen und stärkt die Sensibilität. Außerdem fördert es das Verständnis für die Bedeutung der Hospizarbeit.“ Musik, so weiß er als Pfarrer, helfe nicht nur Unaussprechliches zu verarbeiten, sondern erreiche die Seele auf tiefere Weise als Worte.

Begegnungen voller Lebensfreude

Dass Hospize Orte sind, an denen auch Schlager gehört und gelacht wird, hat Stefan Weiller in seinen inzwischen rund 100 Interviews mit Sterbenden erlebt. „Es sind oft Begegnungen voller Lebensfreude.“ Natürlich gehe es letztlich ums Sterben, aber auch ums Leben, sagt Weiller. Da werde etwa nicht selten über kulinarische Vorlieben gesprochen. So habe ihn ein Esslinger Patient über die richtige Zubereitung schwäbischen Kartoffelsalats aufgeklärt. Doch er höre auch ganz tiefe und berührende Einsichten über das Leben.

Für Weiller ist das Projekt „ein Fenster in das Erleben von Sterbenden“. Natürlich weiß er, dass nur ein kleiner Teil der Menschen im Hospiz zu solchen Gesprächen noch in der Lage oder auch bereit sind. „Aber wer mich einlädt, hat den Wunsch zu erzählen.“ Was das ist, überlässt Weiller ganz seinem Gegenüber. Im Hospiz Esslingen hat er erstmals ein Gespräch mit Hilfe eines Tablets geführt, weil der Gesprächspartner nicht mehr sprechen konnte. Das fordere auch auf, über Zeit nachzudenken. „Wir wollen das gerne visuell umsetzen.“

Professioneller Sachverstand und großes Herz

Etwa ein Jahr lang war er immer wieder im Esslinger Hospiz und ist von der Atmosphäre dort beeindruckt, die er mit „professioneller Sachverstand und großes Herz“ umschreibt. Hospizleiterin Susanne Kränzle hat gerne die Türen des Hospiz für das Projekt geöffnet: „Es waren achtsame und wertschätzende Gespräche. Sie zeigen, dass es auch ein Leben vor dem Hospiz gab.“ Und es sei für die Sterbenden eine Möglichkeit, der Nachwelt etwas zu hinterlassen. Sie und ihr Team wüssten ja oft nicht, welche Lebensschätze die Patienten mitbrächten.

Sponsoren ermöglichen Aufführung

Finanziert wird die Esslinger Aufführung, für die kein Eintritt verlangt wird,  dank großzügiger Unterstützer komplett über Sponsoren, so dass die gesamten Spenden des Abends dem Hospiz zu Gute kommen. Damit könnten dann zusätzliche Angebote wie Musik- oder Kunsttherapie finanziert werden.

www.letzte-lieder.de